" heim.weh "  

Geschrieben von: JoKr  
Montag, den 22. Juni 2015 um 13:39 Uhr

Am 8. Mai 1945 ging der Krieg zu Ende. Aber nur das Militär hat kapituliert, alle anderen Institutionen, die in irgendeiner Form Macht ausüben konnten, machten weiter. Hunderttausende junger Menschen waren dem brutalen System „Heimerziehung“ in der frühen Bundesrepublik unterworfen mit massivem Missbrauch von Macht, Demütigungen und Erniedrigungen in ungeheurem Ausmaß ohne Aussicht auf Hilfe oder Mitgefühl. Die Öffentlichkeit interessierte sich nicht für das, was hinter den Mauern geschah. Die Menschen der damaligen Zeit hielten autoritäre Erziehung für völlig normal und leisteten damit den TäterInnen indirekt Beistand.


 Geduldet von Kirchen, Institutionen, Jugendämtern und Landschaftsverbänden und abgeschirmt vom gesellschaftlichen Leben lebten Kinder und Jugendliche lange Jahre hinter den Mauern geschlossener Erziehungsanstalten. Dort erlitten sie Prügel, Missbrauch und verrichteten Zwangsarbeit jenseits jeglicher Schulbildung. Es waren kaum fassbare Zustände, die sich bis weit in die siebziger Jahre in Deutschland abspielten. Das semidokumentarische Stück nähert sich diesem noch immer verdrängten Kapitel deutscher Geschichte. Die Inszenierung wirft Fragen auf nach dem Zusammenhang staatlich sanktionierter Nazi-Methoden, die in diesen Heimen überleben konnten und dem Wegsehen der Menschen in der Zeit des Wirtschaftswunders.

In den Kinderheimen wurde sich an den strammen Zeitplan gehalten, ohne sich um die Bedürfnisse der Kleinkinder zu kümmern. Wer da aus der Reihe tanzte, allzu lebhaft war, wurde unter Umständen im Bettchen angeschnallt, und allzu lebhaften Kindern wurden mit Medikamenten ruhig gestellt. Oft starrten sie tagelang auf weiße Wände, die Folge: Hospitalismus. Die unvermeidlichen Störungen und Verzögerung der Entwicklung führten zu Diagnosen, die weit schlimmere Folgen für die Säuglinge hatten. Sie waren nicht mehr in Pflegefamilien oder zu Adoptionen vermittelbar. Eine weitere Heimkarriere war vorgezeichnet. In den Heimen galt es, keine besonderen Bedürfnisse zu haben. Sich in den alltäglichen Heimbetrieb einzufügen, war oberstes Gebot. Die Suche nach einem Erwachsenen, der ein bisschen Mutter oder Vater hätten sein können, blieb eine Sehnsucht, die lediglich in Wünschen und Träumen Erfüllung fand.

Hatten diese Heimkinder schon keine liebevolle Zuwendung von Seiten der Erzieher zu erwarten, so mussten sie oft auch untereinander ein einsames Leben führen, geprägt von Misstrauen und Ängsten. Das ständige Leben im Kollektiv, das dennoch Auf-sich-allein-gestellt sein und das undurchschaubare Ausgeliefertsein, führten zu emotionaler Auszehrung. Traurigkeit und Schmerz, aber auch Ärger und Zorn konnten nicht gelebt werden, weder äußerlich noch innerlich. Die Kinder lebten ohne zu leben.
"Unter diesen Bedingungen wuchs auch meine Tochter auf. Sie wurde ebenfalls angeschnallt in der Nacht, oft auch tagsüber. Ich musste das geschehen lassen. Nach über 50 Jahren ist es uns nicht gelungen, ein gutes Verhältnis aufzubauen. Sie ist mir gegenüber schroff und abweisend. Wir können nicht offen darüber reden. So, als wäre ich für diese Entbehrung schuldig. Die Zustände in den Heimen haben uns geprägt. Zustände, die wir heute nicht mehr zulassen dürfen", so eine Mutter eines ehemaliges Heimkind.

Das semidokumentarische Stück nähert sich diesem noch immer verdrängten Kapitel deutscher Geschichte. Die Inszenierung wirft Fragen auf nach dem
Aufführung des Theaterstückes "heim.weh":
22.06.2015, 20 Uhr und 23.06.2015, 20 Uhr
Wasserturm: 10965 Berlin, Kopischstr. 7
Quelle: www.heim.weh.thomasnufer.com
Zusammenhang staatlich sanktionierter Nazi-Methoden, die in diesen Heimen überleben konnten und dem Wegsehen der Menschen in der Zeit des Wirtschaftswunders. ”heim.weh”möchte sensibilisieren für das Schicksal ehemaliger Heimkinder und ihr durchlebtes Leid, den Verlust ihrer Kindheit und Jugend und die brutalen Erziehungsmethoden in den damaligen Heimen. Das Theaterprojekt begreift sich darüber hinaus als Impulsgeber für die öffentliche Debatte. Gleichzeitig dient es der Prävention für Fehlentwicklungen in der heutigen Praxis der Heimerziehung.
Zuletzt aktualisiert am Dienstag, den 23. Juni 2015 um 09:18 Uhr
 


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